Antworten im Fragebogen: Was ist besser – vier oder fünf Antwortmöglichkeiten?

05.06.2019 | Fragebogen

Gibt es einen „Trend zur Mitte“, der die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung verwässert? Sollte man daher Teils-Teils-Antworten gar nicht erst anbieten?

In einer Mitarbeiterbefragung holt man sich das Feedback der Mitarbeiter über einen Fragebogen ab. Dort wird eine Reihe von positiv formulierten Aussagen aufgelistet (z. B. „Wir haben hier eine freundliche Arbeitsatmosphäre.“) und die Mitarbeiter können ankreuzen, ob sie dieser Aussage zustimmen oder nicht.

Man muss nun festlegen, wie viele Antwortmöglichkeiten man anbieten will. Soll es eine gerade Anzahl sein oder ein ungrade? So sehen die beiden Alternativen aus:

Gerade Anzahl: Die vier (oder manchmal auch sechs) Antwortmöglichkeiten teilen sich auf in zwei zustimmende und zwei ablehnende Antworten:

  • Zustimmend: Trifft voll zu – trifft überwiegend zu
  • Ablehnend: Trifft nicht zu – trifft überwiegend nicht zu

Ungerade Anzahl: Hier wird den zustimmenden und ablehnenden Antwortmöglichkeiten noch die Option „Teils / teils“ hinzugefügt.

Die Frage ist: Welche Variante ist für Mitarbeiterbefragungen besser?

Die Befürworter von geraden Antwortmöglichkeiten argumentieren, dass viele Menschen bei einer Mittel-Option genau diese wählen, weil sie sich nicht entscheiden können oder wollen. Oder weil es einen Trend zu Mitte gibt. Wenn man also diesen bequemen Ausweg anbietet, sei man nachher genauso klug wie vorher.

Die Sozialwissenschaften beziehen in dieser Frage keine eindeutige Position, will sagen: Es gibt für beide Varianten nachvollziehbare Gründe.

Beobachtung aus der Praxis: Eine ungrade Anzahl von Antwortmöglichkeiten ist besser

Ich will diese Frage auch nicht wissenschaftlich-grundsätzlich beantworten, sondern aus meiner Beobachtung von vielen Einzelfällen heraus, was an dem „Trend zu Mitte“ oder der Scheu zur Entscheidung dran ist.

Und diese Erfahrungen führen mich zu einer klaren Empfehlung: Nehmen Sie lieber eine ungrade Anzahl von Antwortmöglichkeiten. Mein Favorit ist eine fünfstufige Skala. Und zwar aus zwei Gründen:

Erstens: Hinter dem „Teils/teils“ steht häufig Erfahrungen von Licht und Schatten

Ich habe in vielen Folgeprozessen nach einer Mitarbeiterbefragung mit Mitarbeitern gesprochen und sie gefragt, welche Erfahrungen im Alltag hinter den Ergebniswerten stehen. Ich wollte erfahren, welche Ereignisse zu welchen Kreuzchen im Fragebogen geführt haben.

Meine Beobachtung: Wenn es viele Teils/teils-Antworten gab, habe ich meistens eine gemischte Bewertung zu hören bekommen: „Ja, bei dem Thema ABC finde ich dies gut, aber jenes gefällt mir dabei nicht.“ Die Teils/teils-Antworten waren also keine Bequemlichkeit oder Gedankenlosigkeit beim Ausfüllen des Fragebogens, sondern geben eine reale Erfahrung von Licht und Schatten bei einem Thema wieder. In meinen Augen ist daher der „Trend zur Mitte“ zwar grundsätzlich denkbar, praktische aber keine echte Gefahr für das Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung.

Zweitens: Will man die Mitarbeiter zur Eindeutigkeit zwingen?

Der zweite Grund ist für mich fast noch wichtiger als der erste. Denn mit einer geraden Anzahl von Antwortmöglichkeiten verlangt man von jedem Befragungsteilnehmer eine eindeutige Entscheidung ab. Die Mitarbeiter sollen bitte entweder zustimmen oder ablehnen, aber nichts dazwischen. Man lässt nur die Wahl zwischen Weiß und Schwarz.

Das wirkt wie eine Bevormundung. Was tut jemand, der zu einem Thema sowohl positive als auch negative Erfahrungen gemacht hat? Darf er sie nicht ausdrücken dürfen, damit das Ergebnis möglichst klar ist?

Eine solche Begrenzung mindert die Akzeptanz einer Mitarbeiterbefragung. Die entsteht nämlich auch durch das Empfinden der Mitarbeiter beim Ausfüllen des Fragebogens, dass man dort das hat mitteilen können, wie man es tatsächlich sieht. Und dazu gehören manchmal auch Grautöne.

Es ist richtig, dass ein hoher Anteil von Teils/teils-Antworten es nötig macht, genauer nachzufragen, was dahinter steht. Aber das sollte man auch bei eindeutig hohen oder niedrigen Ergebniswerten tun. Vor allem aber hat man mit einer ungraden Anzahl von Antwortmöglichkeiten den Raum offen gelassen für alle Schattierungen im Feedback der Mitarbeiter. Das ist ein guter Start in den Dialog über die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung.